1938 – Das (vorläufige) Ende
In der Festschrift zum 50. Stiftungsfest findet sich folgender Bericht von AH Dr. Ekkehard Isitzer v/o Ortwin †, dem letzten Senior Cimbrias:
Die letzten Jahre vor der Okkupation Österreichs durch Hitler bedeutete für Cimbria eine harte Bewährungsprobe. Allgemeines Mißtrauen gegenüber den Mitschülern, den Professoren, ja oft sogar innerhalb der eigenen Familie kennzeichnete das Alltagsleben der damaligen Zeit und entzweite Freunde und Verwandte. Die kluge, tapfere Schar der Cimbern bekannte sich eisern und öffentlich zu Österreich. Die prekäre finanzielle Lage und die allgemeine Unsicherheit und Nervosität bedrohte ernstlich die Durchführung des traditionellen Stiftungsfestes 1938 in herkömmlichen Rahmen. Nur durch eine mutige Demarche der Aktivitas bei der Altherrenschaft war es schließlich doch möglich, unter der Patronanz unseres damaligen Anstaltsdirektors, Landtagspräsident AH Dr. Christian Bader, den Kommers in feierlichem Rahmen im Hotel Egger eindrucksvoller denn je zu schlagen. Zwei Monate später standen wir fassungslos und verbittert dem Einmarsch der deutschen Truppen gegenüber. Wir hatten nicht nur unsere Cimbria, sondern auch unser heißgeliebtes Vaterland verloren! Viele von uns waren in den Stunden der Entscheidung als uniformierte und bewaffnete Frontmilizsoldaten zum Einsatz bereitgestanden. Nach der denkwürdigen Abschiedsrede Schuschniggs mußten wir uns beschimpft, geschmäht und angespuckt den Weg durch eine tausendköpfige, in enthusiastischen Freudentaumel geratene Menschenmenge bahnen. Bereits in den nächsten Tagen wurde Cimbria offiziell aufgelöst und – wie es schien – für immer ausradiert.
Wir als die letzten Chargen wurden mehr als einmal mitten im Unterricht von Gendarmen herausgeholt und in die Kreisleitung zum Verhör eskortiert. Vor allem hatte man es auf das Verbindungsvermögen(!) abgesehen und wollte es nicht glauben, daß kein solches vorhanden war. Unser Kassier – weiland AH Hohenauer v. Tell – konnte mit Wonne dem Deutschen Reich nur – Schulden übergeben!
Die Monate zwischen Matura und Einziehung zum Wehrdienst waren für uns Cimbern in der verhetzten Atmosphäre der Kleinstadt kein Honiglecken. Die inzwischen formierte Hitlerjugend hatte es besonders auf uns abgesehen und konnte sich auf Grund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit und unter dem Schutz der „Gesetze“ mehrmals tat- und schlagkräftig an uns austoben. Zu dieser Zeit waren wir als bekannte „Andersdenkende“ vollkommen wehrlos und daher vogelfrei. Einige von uns mußten mehrmals unter Polizeischutz nach Hause gebracht werden, wenn wir beim Dämmerschoppen in der Gisela ertappt worden waren. Hausdurchsuchungen und ähnliches waren an der Tagesordnung, selbst als wir schon das „Graue Ehrenkleid des Führers“ trugen. So mancher biederer Kufsteiner Bürger von heute erwies sich damals als „Mini-Himmler“! Durch raschen Zugriff konnten wir den Großteil unserer Habseligkeiten – Schriften, Fläuse und die Verbindungsfahne – in Sicherheit bringen. Letztere ist später leider einem Bombenangriff zum Opfer gefallen.
Dann kam der Krieg. Trotz der gewaltigen Menschen- und Völkerverschiebung gelang es auf geradezu wunderbare Weise immer wieder, daß sich gleichgesinnte Bundes- und Kartellbrüder zusammenfanden, in politischem Gespräch sich zunächst vorsichtig testend, um dann in echter Freundschaft das harte Los des Frontsoldaten gemeinsam zu tragen in immerwährender Treue zu den Idealen, die wir als Knaben – unwissend der zukünftigen harten Realität – einander geschworen hatten.